Montag, 2. April 2012

Herbert



Vielleicht hätte ich das lieber doch lassen sollen.
Du hast es so gewollt!
Aber es ist so dunkel hier. Und ich habe Angst. Was wenn es wehtut?
Du wolltest es so! Heul hier nicht rum!
Ja.. Ich wollte es so. Verdammte Scheiße. Aber ich habe es mir so ausgesucht. Es hätte eh keinen Sinn, das alles hier abzubrechen. Vielleicht ist es eh schon zu spät. Ich habe keine Freunde mehr. Niemanden, an den ich mich wenden könnte. Niemanden. Dieses Wort ist scheußlich. Niemanden. Aber ist es nicht so?
Du hast noch mich.
Aber du bist nicht mein Freund.
Ich bin dein Gewissen, deine Seele. Nenn mich wie du willst, von mir aus auch Herbert.
Lass die Witze! Ich werde das schaffen. Ich bin stark genug. Zumindest stark genug um zu sterben. Zumindest nehme ich das an. Es wird kurz und schmerzlos sein. Jedenfalls habe ich es so geträumt. Ich habe schon so oft von diesem Ende geträumt, dass es schier unmöglich scheint, dass es anders kommt.
Ich taste mich die kalte Mauer des Tunnels entlang. Ich habe Angst zu fallen. Zu stürzen über einen der vielen Steine. Bei Licht würden sie sich alle gleichen. Jeder sähe aus, wie der andere. So wie ich. Ja, so wie ich. Ich gehe auch in der Masse unter. Niemand würde mich bemerken, nicht einmal wenn ich im Clownskostüm auf dem Alexanderplatz stehen würde.
Du lebst doch eh lieber allein.
Ich bin nicht allein. Du machst mir doch das Leben zu Hölle.
Das stimmt doch gar nicht.
Wer redet mir denn hier ein, dass ich geisteskrank bin? Wahrscheinlich hätte ich das ohne dich nie gemacht.
Du solltest mir dankbar sein!
Ich habe Angst. Vielleicht ist es doch nicht so einfach zu sterben. Vielleicht ist es doch anders als in den Träumen. Was wenn ich den Scheiß hier überlebe? Dann ist mein Leben mit Herbert nur noch schlimmer. Er wird mir mein Leben lang vorhalten, dass ich nicht einmal in der Lage bin, mich von einem Zug überrollen zu lassen. Die Leute würden mich bestimmt auslachen. Zu blöd zu sterben! Wie peinlich das nicht wäre. Nein ich ziehe das jetzt durch!
Deine Denkweise ist bemerkenswert.
Schnauze! Ich muss mich konzentrieren.
Konzentrieren? Worauf? Zu sterben? Das ich nicht lache!
Schnauze hab ich gesagt!
Wie weit mag ich schon gelaufen sein? Um die Kurve. Weit mag es sein? Fünfzig Meter oder Zweihundert?
Ich sehe ein kleines, beinahe winziges Licht. Mein Puls schnellt in die Höhe. Auf einmal habe ich wieder Angst. Scheiße! Verdammte Scheiße! Ich stehe wie angewurzelt dar. Die rechte Hand immer noch an der viel zu kalten Mauer.  Vielleicht ist es auch nur irgendein Idiot, der die gleiche Idee hatte wie ich. Warten bis der Zug einen überrollt und in den Himmel oder unter die Erde befördert. Nur hat der vor Angst gleich noch die Taschenlampe mitgebracht.
Du bist hier der Idiot!
Lass mir doch meine Hoffnung!
Siehst du, wie das Licht größer wird? Hörst du das Rauschen?
Vielleicht schaffe ich es noch raus. Oder ich stelle mich ganz dicht an die Mauer. Ich könnte mich zwischen die Schienen legen und die Luft anhalten, meine Augen schließen.
Sieh es ein, du wirst es nicht schaffen. Du hast es so gewollt!
Ich habe nichts gewollt. Du hast mich gezwungen!
Ich bin nur eine Stimme in deinem Kopf.
Vielleicht hast du Recht. Du bist nur eine Stimme in meinem Kopf ...

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