Freitag, 13. April 2012

Irgendwo zwischen hier und anderswo



»Wollen wir mal etwas richtig verrücktes tun?« fragst du mich. Deine kastanienbraunen Augen schauen geradeaus, stur auf das Wasser. Deine langen braunen Haare tanzen ganz sanft im Windhauch, während meine streng zu einem Zopf gebunden sind. Die Sonne liegt irgendwo zwischen Himmel und Meer. Irgendwo zwischen hier und anderswo.
Dann drehst du deinen Kopf und schaust mir direkt in die Augen.
»Was verstehst du denn unter richtig verrückt?« frage ich. Du wendest dich wieder der Sonne zu und lächelst.
»Einfach mal raus hier. Nicht immer die triste Stadt. Irgendwas Verrücktes.«
Vielleicht ist die Idee gar nicht so komisch. »Und was willst du machen?«
Du schweigst. Streichst dir mit der Hand einmal durch dein offenes Haar und schließt die Augen. Wahrscheinlich bist du schon gar nicht mehr hier. Weit weg und nicht mehr bei mir. Nicht mehr in dieser farblosen Stadt. Vielleicht schwimmst du gerade mit den Delphinen um die Wette oder besteigst den Mount Everest. Fährst Seilbahn über irgendwelche Schluchten um im nächsten Moment nach einem alten Wrack zu tauchen. Du warst schon immer dieses verrückte Mädchen. Diejenige von uns beiden, die sich auf alles einließ und danach immer lachte.
»Weißt du noch früher, als wir mit Stöcken und Decken ein Haus gebaut haben?« fragst du.
»Als wenn ich das vergessen könnte.« sage ich und wir beginnen beide zu lachen.
»Oder als wir einen ganzen Tag fremden Menschen in der Mall Komplimente gemacht haben und sie danach anstarrten?«
»Ja, das war wirklich lustig.« und wieder lachen wir. Die Gedanken an früher zaubern ein Strahlen auf dein Gesicht. Es sieht so schön aus, wenn du lachst. Manchmal wache ich nachts auf und das einzige, woran ich denke, ist dein Lachen. Und dann lache ich nachts selbst, weil es so verrückt ist.
Du erzählst mir noch viele Dinge, die wir früher zusammen erlebt haben. Die meisten sind lustig oder einfach nur zum Schmunzeln. An einige Sachen erinnere ich mich erst wieder, als du mir davon erzählst. Ich bin dir dankbar, dass du mir diese Erinnerungen zurückgibst. Dabei waren sie niemals weg. Nein. Es gab nur so viele andere Erlebnisse die hinzu kamen und die alten überdeckten. Vielleicht sollten wir sie aufschreiben, damit wir uns später immer noch daran zurück erinnern können und darüber lachen. Später, wenn wir alt und faltig sind.
»Und was sagst du nun?« Jetzt starrst du mich wieder an mit deinen durchdringenden braunen Augen.
»Was sage ich?«
»Mal etwas ganz verrücktes. Nur wir beide.«
Die Sonne ist schon fast verschwunden. Irgendwo zwischen hier und anderswo auf der anderen Seite. Weit weg von uns.
»Was wollen wir denn machen?«
Du wendest den Blick wieder ab. Dann schließt du für einen ganz kurzen Moment deine Augen und ein Grinsen bildet sich auf deinem Gesicht. Du legst deine Uhr und deine Kette in deine Schuhe. Ziehst deine Hose aus und lässt sie in den warmen Sand fallen. Ich schaue dir ungläubig hinterher, wie du in das Wasser läufst. Ist das schon verrückt? Oder noch ganz normal?
Ich lege meine Hose neben deine und laufe dir nach. Das kühle Wasser umfasst meine Knöchel und spritzt bis in mein Gesicht. Es dauert nur wenige Augenblicke, dann bin ich wieder neben dir und wir treiben ganz seicht im Wasser.
»Tombua.«
»Tombua?« frage ich ungläubig.
»Mit dem Fahrrad. Wir fahren mit dem Fahrrad nach Tombua. Nur du und ich.«
Ja, nur du und ich. Und Tombua.

3 Kommentare:

  1. dein blog ist schön. du kannst unheimlich gut schreiben. bin neuer leser=)

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  2. So unglaublich schön..ich will auch nach Tombua, mit dem Fahrrad. ♥

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  3. Wow, du schreibst echt wundervoll *-*
    Ich war so gefesselt, ich habe fast alles vergessen :) Deine Geschichten sind definitiv besser als viele Bücher, du übermittelst die Stimmung super! Ich bin absolut begeistert ♥

    Allerliebste Grüße
    Meike

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