Montag, 15. Oktober 2012

Und wenn du denkst es geht nicht schlimmer beginnst du zu lachen



Dieser ungeheure Druck in meinem Kopf zwingt mich zum Schreien. Ich schreie ganz laut und bestimmt, aber  keine Worte, nur irgendeinen Laut, einen einzigen Ton. Ich versuche den Druck zu übertönen und in dem Moment, in dem ich nur mich selbst höre, gelingt es mir den Schmerz für den Moment zu verdrängen.
Ich spüre wie mein Herz pocht. Ich spüre es in meiner Brust, meiner Hand und meinem Kopf. Schnell aber gleichmäßig wie das Ticken einer Uhr.
Mein Kopf wird heiß und glüht förmlich, während der Rest meines Körpers kaum noch anwesend zu sein scheint, würde ich ihn nicht durch meine eigenen Augen im Spiegel sehen.
Ich drehe den Wasserhahn auf und halte meinen Kopf unter den Wasserstrahl. Das kalte Wasser riecht nach Eisen und schmeckt widerlich. Es läuft mir die Schläfe entlang und tropft bis auf meinen Hals. Ein paar Spritzer verirren sich in meine Nase und dann muss ich husten und stoße mir den Kopf, sodass ich fluche.
Der Druck ist immer noch da und die glühende Hitze kommt zurück. Sie wandert tiefer, den Hals hinunter und setzt sich auf meine Lungen. Plötzlich fällt mir das Atmen so schwer wie nach einem 400m-Sprint und ich stolpere über die ganzen Kleider, die auf dem Boden verstreut liegen, in mein Zimmer. Aus einer Tasche ziehe ich das kleine blaue Asthma-Spray, schüttele es und setze es an die Lippen. Dann drücken und einatmen, die Luft anhalten, langsam bis zehn zählen und noch einmal von vorne.
Ich huste und setze mich auf mein Bett. Ich nehme einen Schluck aus der Wasserflasche die neben meinem Bett steht und lasse mich dann auf den Rücken fallen. Mein Kopf bummt immer noch meinen Herzschlag mit und die Hitze breitet sich in meinem ganzen Körper aus. In meinem Hals und meiner Lunge kratzt es und wenn ich Luft holen will um zu husten, bekomme ich schon einen Anfall nur von dem Reiz. Ich krümme mich und nehme noch einen Schluck aus der Flasche. Aber ich muss weiter husten und als ich versuche den Reiz zu ignorieren muss ich würgen und ein schwarzer Nebelschleier zieht vor meine Augen. Ich spüre wie meine Arme wild in der Luft fuchteln und meine Augen brennen. Brennen als würden sie direkt aus der glühenden Hölle meines Körpers kommen.
Ich huste und würge und zwinge meine unkontrollierbar tanzenden Hände vor meinen Mund und erbreche das mühsam hineingezwungene Mittag. An meinen hitzigen Händen fühlt sich die klebrige Brühe viel zu kalt an, als dass es aus meinem brennenden Körper stammen könnte.
Mir wird schwindlig und ich bemühe mich ganz ruhig zu atmen. Ich will mir das Alphabet aufsagen, mir überhaupt irgendetwas sagen aber ich bin nicht mehr Herr über mich selbst. Ich spüre immer noch diesen grauenhaften Druck in meinem Kopf und rechne jeden Moment damit, dieses leicht unerotische Blutbad zu sehen, als würde man mit einer Knarre in sein Ohr rein feuern.
Die Hitze bleibt hartnäckig bestehen aber dafür zieht der Schleier sich langsam wieder zurück. Ich fühle ganz genau meinen Herzschlag in meinem Kopf. Dann setzt mein Körper wie ferngesteuert einen Fuß vor den anderen und ganz plötzlich bin ich wieder Zuschauer meines eigenen Ichs.
Ich gehe langsam aber ganz bestimmt, beinahe ein wenig robotermäßig, in die Küche. Ich stoße die Tür so stark auf, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand scheppert. Mein Körper zuckt zusammen und ich muss erneut würgen, aber diesmal bleibt mir ein Rendezvous mit meinem Essen erspart. Meine Füße tragen mich zur Küchenzeile mit den Messern und ohne lange zu überlegen, greife ich einfach eins und halte es ganz fest in meinen zittrigen Händen. Ich lehne mich an den Schrank und sinke langsam mit dem Rücken an ihn gedrückt zu Boden.
Als ich sitze, ziehe ich meine Shorts ein Stück nach oben und fahre langsam und ohne viel Druck mit der kalten Klinge über meinen Oberschenkel. Es tut gar nicht weh und ich setze die Klinge gleich ein zweites Mal an und drücke nun etwas tiefer ins Fleisch, bis es blutet. Dann setze ich an einer anderen Stelle an und als das Blut fließt, lache ich. Ich lache ganz ungezwungen und laut auf. Immer lauter, sodass mich die ganze Welt hören soll. Mit jedem Schnitt nimmt der Druck in meinem Kopf ein wenig ab und irgendwann hören auch meine Hände auf zu zittern.
Das Blut tropft meinen Oberschenkel runter auf die kalten, nackten Fliesen. Aber jetzt sind sie ja nicht mehr nackt. Jetzt tragen sie einen purpurnen Mantel und müssen nicht mehr frieren.
Als der Schenkel übersät ist mit Schnitten fahre ich mit meiner linken Hand über jeden einzelnen dieser Schnitte und höre mich lachen. Immer lauter und lauter, als wäre ich verrückt, bis ich die Klinge an meinem linken Arm ansetze. Wieder streife ich erst ganz vorsichtig auf der Haut und dann drücke ich sie tiefer hinein. Zweimal, dreimal quer zur Hauptschlagader und dann ziehe ich das Messer den ganzen Unterarm entlang und es tut gar nicht weh. Und plötzlich sind der Druck und die Hitze und die Übelkeit verschwunden.
Ich setze das Messer ab und sofort rinnt das Blut meinen Arm entlang und tropft vom Ellenbogen auf meine Hose und die Fliesen. Auf die Fliesen zu den anderen Tropfen, die sich schon zu einer kleinen Pfütze gebildet haben.
Mit dem Zeigefinger streiche ich über den Schnitt und bin stolz auf mich. Ich schaue mir mein Werk an und freue mich, lege das Messer neben mich in die rote Pfütze und lache, bis ich Bauchschmerzen bekomme. Ich schließe meine Augen und lache und immer lauter und es klingt so verrückt. Ja, wie von einer Verrückten, bis es dumpfer wird und so unreal klingt, bis es irgendwann kaum noch zu hören ist.
Dann packt mich ein Schwindel und ich falle. Falle in mich hinein. Ich öffne meine Augen aber ich sehe nichts mehr, nur noch schwarz und dunkel und Nacht. Absolute Dunkelheit um mich herum und dann ist das Lachen verschwunden, das Pochen in meinem Kopf, meiner Brust und Hand ist verschwunden und alles ist verschwunden, nur ich bin immer noch am Fallen.

2 Kommentare:

  1. Das ist eigentlich eine total schreckliche Geschichte, aber sie ist sooo gut geschrieben!
    Ich hab sie gleich zweimal gelesen.

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  2. Gruselig, aber wunderbar geschrieben !

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